Zwischenmenschliche Konflikte: Teufelskreis und Auswege

Februar 3rd, 2022

Teufelskreis Schulz von Thun

Wir können nicht nicht kommunzieren.

Paul Watzlawick

Kennen Sie das? Mit manchen Menschen geraten Sie immer wieder aneinander? Es gibt Spannungen, Unstimmigkeiten oder sogar Streit? In diesem Artikel möchte ich Ihnen anhand des Teufelskreis-Modells von Friedemann Schulz von Thun zeigen, wie es zu solchen Konflikten kommt und wie man es nutzen kann, um Auswege aus der Misere zu finden. Ich persönlich finde, dass es ein sehr anschauliches und hilfreiches Modell ist, und ich habe es selbst schon oft, sowohl in Beratungen, als auch in meinem Privatleben erfolgreich angewendet. Und ich hoffe, dass Sie ebenfalls einen Nutzen daraus ziehen können.

Das Teufelskreis-Modell

Der Hamburger Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun entwickelte das Teufelskreis-Modell, um zu beschreiben und zu erkennen, was passiert, wenn zwei Menschen aufeinander treffen und miteinander interagieren. Wie es das Eingangszitat bereits so schön sagt: „Wir können nicht nicht kommunizieren“. Das heißt, immer wenn wir mit einer anderen Person in einem Raum (oder am Telefon oder über das Internet verbunden) sind, findet Kommunikation und Austausch statt – selbst, wenn wir eigentlich gar nichts sagen. Und das kann gut gehen und wir empfinden dann den Kontakt als angenehm oder neutral, aber manchmal geht es eben auch schief.

Aber schauen wir uns das Modell doch einmal im Einzelnen an:

Teufelskreis Schulz von Thun
Das Teufelskreis-Modell (Schulz von Thun)

Fangen wir oben in der Mitte bei dem grünen Viereck an: Person A gibt eine Äußerung von sich. Das kann natürlich etwas Gesagtes sein, aber auch einfach nur ein Verhalten, z.B. ein Blick oder eine Körperhaltung oder eine Bewegung. Aber wie oben bereits gesagt, kann A auch einfach nur anwesend sein und nichts sagen oder tun. Auch das ist eine „Äußerung“.

Gehen wir nun schräg nach rechts unten zu dem lila Viereck: Person B hat eine innere Reaktion auf die Äußerung von A. Schulz von Thun nennt das eine „Innerung“. Das können Gedanken sein, Gefühle und/oder Körperreaktionen.

Unten in der Mitte steht dann die Äußerung von B. Das heißt, B reagiert äußerlich auf die Äußerung von A. Das kann analog zu A wieder bedeuten, dass B etwas sagt oder tut oder nicht sagt oder nicht tut.

Und das wiederum führt bei A zu einer inneren Reaktion, schräg links darüber. Also auch A hat in Bezug auf Bs Äußerung Gedanken, Gefühle oder Körperreaktion.

Nun schließt sich das Kreis und A äußert sich wieder B gegenüber und so weiter.

Was wir jetzt schon sehen – und was ich sehr wichtig finde: Beide haben einen Anteil am Teufelskreis. Was wir auch sehen, ist, dass zwischen den jeweiligen Äußerung von A und B immer eine innere Reaktion als vermittelndes Element steht. Wir reagieren also nicht einfach nur äußerlich aufeinander, sondern wir schalten eine innere Reaktion dazwischen, der dann unsere Äußerung folgt. Wir kommen bei den Auswegen nochmal darauf zurück.

Aber schauen wir uns das mal an einem Beispiel an, damit es noch verständlicher wird:

A und B sind ein Paar, das schon eine Weile zusammenlebt. A ist sehr unternehmungslustig und viel beschäftigt und verbringt gerne Zeit außer Haus mit Arbeit, Hobbys und Freunden. B dagegen lässt es gerne etwas ruhiger angehen und ist gerne zu Hause. In der Anfangseuphorie ihrer Beziehung haben A und B viel gemeinsam unternommen, entweder außer Haus oder zu Hause. Aber nun mit der Zeit sind beide jeweils wieder mehr zu ihrer „Standardeinstellung“ zurückgekehrt und A ist viel unterwegs, während B oft viel – alleine – zu Hause ist. Es kommt oft zum Streit. B beschwert sich, dass A so viel unterwegs und „nie zu Hause“ ist, während A nicht versteht, was das Problem ist. Nach dem sich beide Luft gemacht haben, geht es wieder eine Weile gut, bis es wieder von vorne los geht. Eine gute dauerhafte Lösung haben beide bisher nicht gefunden.

Was ist passiert? Zerlegen wir den Konflikt doch mal mit Hilfe des Teufelskreis-Modells in seine Einzelteile. Und diese Arbeit ist schon oft der halbe Weg zu einer Lösung.

Teufelskreis Schulz von Thun
Das Teufelskreis-Modell mit einem Beispiel

Die Äußerung von A (oben) ist also, dass A viel Zeit außer Haus verbringt. B reagiert darauf innerlich (rechts), fühlt sich nach eigener Aussage „allein gelassen, links liegen gelassen, nicht so wichtig“. Streng genommen sind das keine Gefühle, sondern Gedanken. Fragen wir nochmal konkret nach den Gefühlen so kommen Einsamkeit und Traurigkeit, aber auch Wut zum Vorschein. Diese Gedanken und Gefühle verwebt B nun zu der äußeren Reaktion (unten) in Form von Beschwerden A gegenüber. Das klingt dann ungefähr so: „Immer bist du nur unterwegs. Alles ist dir wichtiger als ich!“. Daraufhin wird bei A eine innere Reaktion ausgelöst. A fühlt sich unverstanden, missverstanden und dass B A einengen will. Auch das sind natürlich keine eigentlichen Gefühle, sondern Gedanken. Das Gefühl, das A dazu empfindet, beschreibt A als Ärger. Der bewegt A nicht dazu, etwas zu ändern, sondern A verbringt weiterhin viel Zeit außer Haus. Der Teufelskreis dreht sich weiter.

Wer hat eigentlich Schuld?

Diese Frage stellt sich oft. Und wenn Sie sich mal in so einem Teufelskreis befunden haben, wissen Sie es sicherlich: Natürlich immer der andere! Wenn am A fragt, dann liegt das Problem an B, weil B so viel zu Hause „rumhängen“ will. B könnte ja ruhig mal mitkommen, wenn A was unternimmt. Stattdessen will B – laut A – A einengen und dass A eben so eine „Couchpotato“ wie B wird. Fragt man dagegen B, ist natürlich A Schuld. A muss ja nicht dauernd so viel unterwegs sein und seine „ganzen ach so wichtigen Dinge tun“ und kann ja auch mal Zeit mit B zu Hause verbringen.

Aber die Frage ist: Geht es wirklich um Schuld? Eigentlich geht es meiner Ansicht nach nur dann um Schuld, wenn man vor Gericht ist. Aber wir sind ja nicht vor Gericht, sondern meistens in einer Situation, in der beide Beteiligten eigentlich ein anderes gemeinsames Ziel haben, als die Schuldfrage zu klären. Sei es ihre Paarbeziehung zu erhalten oder zu verbessern oder im Unternehmen, für das sie arbeiten, Ihren Lebensunterhalt zu verdienen, oder die Kinder da zu sein, für die beide zu sorgen haben. Die Schuldfrage würde uns hier vermutlich nicht wirklich weiterhelfen.

Ich spreche hier lieber von Anteilen: Wer hat welchen Anteil? Wie oben bereits erwähnt, haben beide ihren Anteil am Teufelskreis – was gut ist, denn so haben beide auch eine Chance, den Teufelskreis zu verändern. Oder ihn zu verlassen. Und damit sind wir auch schon bei unserem nächsten Punkt:

Vom Teufelskreis zum Engelskreis – Auswege

In seinem Buch „Miteinander reden – Teil 2“ beschreibt Schulz von Thun Ansätze, wie man aus dem zwischenmenschlichen Teufelskreis einen Engelskreis machen kann. Also wie man von einer destruktiven und negativen Dynamik zu einer konstruktiveren und positiveren kommen kann. Die gute Nachricht gleich vornweg: Sie können an jeder Stelle des Teufelskreises ansetzen und anfangen. Das wird automatisch den gesamten Kreis verändern. Ja, auch wenn der andere eigentlich nichts ändern will.

1. Das Gute im Schlechten

Sagen wir mal, B will gerne, dass sich etwas ändert, aber A schaltet (noch) auf stur. Was könnte B nun tun? Nun, B könnte sich den Teufelskreis, den wir erarbeitet haben, vornehmen und oben auf die Äußerung von A schauen und sich fragen: „Was ist eigentlich gut daran?“ Erst reagiert B etwas empört – was soll schon daran gut sein, die ganze Zeit in der Gegend rumzurennen? Da mag etwas dran sein, dass es hier ein „zu viel des Guten“ gibt. Aber hätte es, in einer abgeschwächten Version, vielleicht nicht doch irgendwie einen guten Kern? B stellt fest, dass es an sich schon schön ist, dass A sich für so viele Dinge begeistern kann und gerne aktiv ist.

2. Die eigene innere Reaktion verändern

Nun kann B auch auf die eigene innere Reaktion schauen. Wir hatten ja schon erarbeitet, welche Gedanken und Gefühle da sind. B könnte versuchen, einen Schritt zurückzutreten und die Gedanken und Gefühle zu hinterfragen. Stimmt es wirklich, dass A „immer“ unterwegs ist und B „immer“ alleine zu Hause ist? Wenn B darüber in Ruhe nachdenkt, stellt B fest, dass es schon oft ist, aber sie durchaus auch gemeinsame Zeit verbringen. Die Gedanken und Gefühle sind dann nicht weg – und das müssen sie auch nicht – aber sie sind schon etwas weniger stark.

Wichtig kann an dieser Stelle auch sein, genau zu klären, was eigentlich die eigenen Bedürfnisse sind, und sich diese zu erlauben. Vielleicht hat B schön öfter mal den Vorwurf gehört, eine Couchpotato zu sein, und ist deswegen vielleicht verunsichert, ob es denn in Ordnung ist, mehr Zeit mit A zu Hause verbringen zu wollen. Trotzdem darf das Bedürfnis sein – es ist ja sowieso da, ob wir das gut finden oder nicht: B möchte mehr Zeit mit A zu Hause verbringen.

3. Die eigene Äußerung verändern

Jetzt schaut B auf seine Äußerung. Hier kann sich B jetzt mal so richtig schön kreativ austoben. Bisher hat sich B immer bei A beschwert. Aber gäbe es – mal rein theoretisch – auch andere Möglichkeiten zu reagieren? B nimmt sich Zeit zum Nachdenken, befragt auch Freunde und erstellt dann eine Liste mit Reaktionsmöglichkeiten:

  • statt Vorwürfe zu machen, A freundlich um mehr gemeinsame Zeit bitten (auch wenn B nicht glaubt, dass das was bringt)
  • sich öfter Freunde nach Hause einladen
  • sich mehr eigene Hobbyprojekte zu Hause vornehmen
  • A einen Deal vorschlagen: B kommt mal mit A mit, im Gegenzug dazu bleibt A mit B mal zu Hause
  • sich von A trennen und sich jemanden suchen, der auch gerne zu Hause ist

Das sind jetzt nur einige Beispiele. Und es geht auch erstmal nicht darum sie zu bewerten, sondern um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und zu sehen: B hat Wahlmöglichkeiten. B kann sich beschweren, aber muss es nicht!

4. Die innere Reaktion des anderen ergründen

Nun geht darum, dass B sich in As Lage versetzt. Dazu kann man ein Rollenspiel machen, indem beide die Rollen tauschen, jemand anderes As Part übernimmt oder B sich nacheinander auf zwei Stühle setzt und beide Rollen spielt. Diese Intervention kann sehr wirkungsvoll sein. Auch B stellt, leicht entsetzt, fest: „Oh je, jetzt verstehe ich etwas besser, warum A so stur reagiert – wenn ich A dann immer so anfahre.“

Für B hat sich jetzt einiges verändert: B versteht, dass es A wichtig ist, Dinge außer Haus zu unternehmen. Und dass das an sich erstmal nichts Schlechtes ist. B hat auch erkannt, dass die eigene innere Reaktion größer ist, als sie der Situation angemessen ist. Und dass das eigene Bedürfnis nach Zeit zu zweit ebenfalls in Ordnung ist. Weiterhin hat B festgestellt, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, dieses Bedürfnis A gegenüber zum Ausdruck zu bringen, und dass Vorwürfe vielleicht nicht die beste Variante sind, weil sie bei A zu Widerstand führen.

So kann B weniger innerlich aufgewühlt, A zunächst Verständnis entgegen bringen, dann die eigenen Bedürfnisse zum Ausdruck bringen und für einen Kompromiss werben. Bei B sah das dann so aus: „Hey A, ich weiß, dass du gerne viel unternimmst und ich find das auch schön, dass du so aktiv bist. Und [nicht aber! Anm. d. Verf.] ich wünsche mir, dass wir zusätzlich auch regelmäßig gemeinsam einen schönen Abend zu Hause verbringen. Vielleicht finden wir ja was, das dir auch gefällt. Wir müssen ja nicht nur auf der Couch sitzen. Und vielleicht kann ich im Gegenzug dazu ja auch ab und zu mal bei einer deiner Aktivitäten dabei sein, so dass wir mehr Zeit zusammen verbringen.“ Na, was glauben Sie, wie A wahrscheinlich darauf – innerlich und äußerlich – reagieren wird?

Ideal wäre es natürlich, wenn auch A diesen Prozess vollzieht und erkennt, dass mal etwas ruhige Zeit zu Hause auch etwas Schönes sein kann, dass B A eigentlich nicht wirklich einengen will, was As Ärger abschwächt, dass A auch andere Möglichkeiten zu reagieren hat, als auf stur zu schalten, und dass es nachvollziehbar ist, dass B sich mit dem Bedürfnis nach Zweisamkeit allein gelassen vorkommt. Aber das ist zum Glück nicht unbedingt notwendig, um zumindest eine Änderung in der Dynamik zu erzielen.

Zusammenfassend sehen Sie hier nochmal die einzelnen Lösungsansätze aus der Sicht von B:

Das Teufelskreis-Modell: Auswege

Grenzen des Teufelskreis-Modells

An dieser Stelle möchte ich einschränkend sagen, dass ich dieses Modell bei missbräuchlichen Dynamiken nur mit großer Vorsicht verwenden würde. Das heißt, wenn ein Partner den anderen schlägt oder verbal oder emotional missbraucht. Denn hier ist es ohnehin oft schon so, dass der missbrauchte Partner versucht, das Gute im Schlechten zu sehen, und sich viel zu sehr hinterfragt, ob die eigenen inneren und äußeren Reaktionen nicht übertrieben sind, und sich in den missbrauchenden Partner hineinversetzt. Natürlich gibt es auch in so einer extrem destruktiven Dynamik Anteile. Und das Modell kann hier helfen, die Anteile des missbräuchlichen Partners deutlich zu machen und die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erkennen. Der Fokus sollte anschließend darauf liegen, die eigenen Bedürfnisse zu stärken und auf eine sichere Weise Abgrenzung zu üben oder den Kontakt zu reduzieren oder gegebenenfalls auch ganz abzubrechen.

Für alle anderen Fälle konnte ich aber hoffentlich zeigen, dass das Teufelskreis-Modell ein schönes Werkzeug ist, um menschliches Miteinander zu entwirren und hoffentlich auch zu verbessern.

Wie ist das bei Ihnen? Waren oder sind sie auch in einem Teufelskreis verstrickt? Wenn Sie Unterstützung brauchen, um diesen zu entwirren und einen Engelskreis daraus zu machen, zögern Sie nicht, mir zu schreiben – wir finden einen Weg!

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