Die „Stimmen“ in meinem Kopf, Teil 2 – Glaubenssätze

Juni 2nd, 2021

Glaubenssätze

„Stimmt das wirklich?“

Im ersten Teil dieser dreiteiligen Blogpost-Serie habe ich darüber geschrieben, was Gedanken eigentlich sind, wo sie herkommen, welchen Zweck sie haben und wie man mit Gedanken, die einem das Leben eher schwer machen, einen besseren Umgang finden kann. Heute soll es um einen Spezialfall von Gedanken gehen und zwar um Glaubenssätze und Überzeugungen.

Was sind Glaubenssätze?

Glaubenssätze sind tief in uns verwurzelte, allgemeine Vorstellungen und Überzeugungen über uns, andere Menschen und die Welt um uns herum. Sie sind uns meist gar nicht so richtig bewusst, bestimmen aber unsere Wahrnehmung und unser Verhalten – und letztlich auch, wie es uns geht – zu einem nicht unerheblichen Teil.

Diese Überzeugungen haben wir im Laufe unseres Lebens gewonnen. Durch die Erfahrungen, die wir gemacht haben, durch das, was uns andere gesagt und wie sie sich uns gegenüber verhalten haben, und wie wir das alles interpretiert und verarbeitet haben. Daraus formen wir dann unsere Vorstellungen davon, wie wir und die Menschen und Dinge um uns herum sind.

Dabei können diese Glaubenssätze für unser Leben und Wohlbefinden förderlich sein oder einschränkend. Hier mal ein paar Beispiele für förderliche Glaubenssätze:

Über uns selbst:

  • „Ich bin liebenswert.“
  • „Ich bin in Ordnung, so wie ich bin.“
  • „Ich darf auch mal Fehler machen.“
  • „Das, was ich fühle, ist in Ordnung so.“
  • „Ich mag mich.“
  • „Ich darf so sein.“
  • „Ich darf meine eigene Meinung haben.“
  • „Ich bin gut genug.“
  • „Ich mache vieles richtig.“

Über andere Menschen:

  • „Die meisten Menschen helfen anderen gerne.“
  • „Die meisten Menschen können Fehler verzeihen.“
  • „Andere Menschen dürfen auch mal Fehler machen.“
  • „Die meisten meinen es gut.“

Über die Welt:

  • „Es gibt viel Schönes auf der Welt.“
  • „Gut ist gut genug.“
  • „Niemand weiß, was die Zukunft bringt – es kann auch wieder besser werden.“
  • „Ich bin in Sicherheit.“

Einschränkende Glaubenssätze klingen eher so:

Über uns selbst:

  • „Ich bin zu hässlich.“
  • „Ich bin zu dumm.“
  • „Ich bin ein Versager.“
  • „Es ist alles meine Schuld.“
  • „Ich bin voller Fehler.“
  • „Ich muss immer die Erwartungen der anderen erfüllen.“
  • „Ich darf niemanden enttäuschen.“
  • „So wie ich bin, bin ich nicht in Ordnung.“
  • „Ich bin eine schlechte Mutter.“

Über andere Menschen:

  • „Mein Partner ist eine faule Socke.“
  • „Niemand mag mich.“
  • „Andere Menschen denken nur an sich.“
  • „Ich muss vor anderen auf der Hut sein.“
  • „Es ist immer die Schuld der anderen.“
  • „Man kann niemandem vertrauen.“
  • „Wenn ich einen Fehler mache, werden die anderen mich ablehnen.“
  • „Männer sind alle gleich.“
  • „Frauen sind alle zickig.“

Über die Welt:

  • „Die Welt ist ungerecht.“
  • „Die Welt ist ein gefährlicher Ort.“
  • „Es wird sowieso schief gehen.“
  • „Es wird nie besser werden.“

Welche dieser Glaubenssätze – positive wie negative – haben Sie über sich selbst, über Ihre Mitmenschen oder über die Welt?

Analog zu den Gedanken allgemein gilt auch hier: Glaubenssätze sind nicht unbedingt die Wahrheit! Deswegen heißen sie auch Glaubenssätze und nicht Wahrheitssätze. Wir alle nehmen die Welt selektiv wahr. Wir können nicht alle Informationen gleichzeitig aufnehmen, also filtern wir. Und dann bewerten wir die Informationen mithilfe unserer Überzeugungen. Und wie ich in Teil 1 geschrieben habe, neigen wir Menschen natürlicherweise dazu, eher etwas zu negativ zu denken, um sicherzugehen, dass wir auch wirklich keine Gefahr übersehen. Sie können also davon ausgehen, dass wahrscheinlich ein paar Ihrer Glaubenssätze auch die Realität ein bisschen schwarz färben.

Negative Glaubenssätze und ihre Folgen

Dass uns positive Glaubenssätze gut tun, ist sicherlich leicht nachvollziehbar, darum will ich mich jetzt genauer den negativen Glaubenssätzen widmen, die wir mit uns herumtragen. Man erkennt sie neben ihrem negativen Inhalt oft daran, dass sie sehr allgemein sind und Begriffe wie „alles“, „nichts“, „nur“, „keiner“, „alle“ oder „zu“ beinhalten.

Ihre Auswirkungen in unserem Leben sind vielfältig. Sie wirken wie eine Bremse, sie verschlechtern unsere Stimmung, die verkleinern unseren Aktionsradius und sie beeinflussen unsere Beziehungen zu anderen Menschen.

Wenn Sie daran glauben, dass andere Menschen Sie nicht leiden können, dann werden Sie deren Verhalten wahrscheinlich eher so interpretieren, dass sich Ihr Glaubenssatz bestätigt. Wenn Sie jemand, den Sie kennen, z.B. nicht grüßt, dann führt dieser Glaubenssatz möglicherweise dazu, dass Sie denken, die Person hat etwas gegen Sie. Aber vielleicht hat sie Sie auch einfach nicht gesehen, weil sie in Gedanken war? Oder weil Sie einen schlechten Tag hat und gerade überhaupt kein Interesse an irgendwelchen sozialen Kontakten?

Wenn Sie glauben, dass Sport einfach nicht Ihr Ding ist, dann probieren Sie vielleicht gar keine weiteren Sportarten mehr aus, obwohl Sie Ihnen vielleicht doch Spaß machen würden, wenn Sie es täten. Oder wenn Sie doch mal was anderes ausprobieren, konzentrieren Sie sich vielleicht mehr auf die Anstrengung, die Sie erleben und sagen sich: „Hab ich es doch gleich gewusst, Sport ist nichts für mich.“

Oder Sie glauben vielleicht, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist und dass Sie immer auf der Hut sein müssen. Entsprechend nehmen Sie vorrangig die Gefahren wahr, die um Sie herum lauern, auch wenn diese Sie vielleicht gar nicht betreffen oder sehr unwahrscheinlich sind.

Wie Sie sehen, wirken Glaubenssätze wie eine Art Filterbrille, mit der man bestimmten Informationen mehr Gewicht gibt – nämlich denen, die den eigenen Glaubenssatz bestätigen – und andere ausblendet – nämlich die, die den Glaubenssatz in Frage stellen würden. Das führt dann gewissermaßen zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung. „Hab ich es doch gleich gewusst…“

Aber ist es denn wirklich so?

Wie kann man Glaubenssätze verändern?

Machen wir uns nichts vor – Glaubenssätze, die unser Leben behindern, zu verändern ist nicht leicht. Aber es ist auch nicht unmöglich. Vier Schritte sind dafür notwendig:

1. Den Glaubenssätzen auf die Schliche kommen

Wie ich bereits schrieb, sind uns unsere Glaubenssätze meist gar nicht so wirklich bewusst. Meist wirken sie eher im Verborgenen, ohne dass wir sie wirklich wahrnehmen. Aber wir können Ihnen auf die Schliche kommen. Am besten klappt das, wenn Sie sich in einer Situation wiederfinden, in der Sie sich ärgerlich oder ängstlich oder sonst irgendwie unwohl fühlen. Wenn Sie es schaffen, halten Sie kurz inne. Ansonsten können Sie auch später nochmal auf die Situation zurückschauen. Was genau ging da in Ihnen vor? Was haben Sie gedacht? Was haben Sie vielleicht auch zu anderen gesagt? Schauen Sie mal, ob Sie irgendwelche Gedanken wahrnehmen, die über die Situation an sich hinausgehen, die also eher allgemeine, negative Aussagen beinhalten, wie beispielsweise: „Das war ja wieder typisch.“ Oder: „Immer passiert mir sowas.“

Und dann überlegen Sie, welcher negative Glaubenssatz dahintersteckt. Geht es eher um Sie? Oder um die anderen Personen, mit denen Sie interagiert haben? Oder die Welt? Schauen Sie auch nochmal oben in der Liste der Glaubenssätze nach, ob davon etwas passen könnte.

2. Die Glaubenssätze hinterfragen

Ich bin kein großer Fan davon, negative Glaubenssätze einfach mit dem positiven Gegenteil zu ersetzen und sich das dann so lange vorzusagen, bis man es (vielleicht) irgendwann glaubt. Wenn das für Sie funktioniert, können Sie das natürlich gerne machen. Wenn Sie sich bisher für eine Sportniete gehalten haben und sich jetzt sagen: „Ich bin ein Sportass“ und das für Sie stimmig ist – nur zu.

Nach meiner Erfahrung fühlt sich sowas aber oft irgendwie falsch an. Man glaubt ja seinen ursprünglichen Glaubenssatz. Und zwar nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Gefühl und mit dem Körper. Wenn man sich also versucht, das absolute Gegenteil schmackhaft zu machen, merkt man meist einen inneren Widerstand. Und das ist auch in Ordnung so.

Ich finde daher einen sanfteren Weg oft zielführender. Wenn Sie also Ihren Glaubenssatz oder Ihre Glaubenssätze in der Situation entlarvt haben, können Sie anfangen, Sie zu überprüfen. Stimmt das denn, was Sie glauben? Was spricht dafür, dass es tatsächlich so ist? Vielleicht ist Ihre Überzeugung ja tatsächlich richtig. Oft steckt ja doch ein Körnchen Wahrheit in unseren Glaubenssätzen. Meist sind sie aber etwas einseitig ins Negative verzerrt. Darum schauen Sie auch ganz genau hin: Was spricht dagegen?

Nehmen wir an, Sie sind zu der Überzeugung gelangt, dass Ihr Partner eine faule Socke ist. Was spricht dafür? Es lässt immer seine Socken herumliegen und räumt das Geschirr nicht weg. Okay, das spricht also dafür. Und was spricht dagegen? Er kümmert sich um die Reparaturen, auf die Sie selbst keine Lust haben. Also ist er wirklich eine faule Socke? Teilweise… aber teilweise auch nicht.

Sie können dieses Experiment ruhig auch etwas länger durchführen. Belauern Sie Ihren Partner mal für eine Woche lang, wie oft der Dinge tut, die Ihren Glaubenssatz bestätigen, aber auch, wie oft er Dinge tut, die ihm widersprechen. Sie nehmen so im Prinzip Ihre Filterbrille ab und versuchen, die Situation so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist.

Noch ein Beispiel: Vielleicht haben Sie die Überzeugung, dass Sie nicht in Ordnung sind, wie Sie sind. Was spricht dafür? Vielleicht reagieren Sie manchmal etwas emotional in bestimmten Situationen, z.B. wenn Sie sich ärgern, dass Ihr Partner die Socken herumliegen lässt. Und was spricht dagegen? Sie kochen vielleicht immer für Ihre Familie, Sie sind meistens freundlich zu den Menschen um Sie herum, Sie meistern Ihr Leben ganz gut? Vielleicht sind Sie doch nicht so grundverkehrt, sondern einfach nur nicht perfekt?

3. Neue Glaubenssätze formulieren

Nachdem Sie Ihre alten Glaubenssätze hinterfragt haben, fällt es Ihnen vielleicht gar nicht mehr so schwer, zu einer neuen Überzeugung zu kommen. Und wie gesagt, sie muss nicht das komplette Gegenteil von dem sein, was Sie bisher geglaubt haben. Es geht eher darum, ein realistischeres Bild von uns, den anderen und der Welt zu bekommen. Eins, das weder übermäßig ins Negative, noch übermäßig ins Positive verzerrt ist.

Ihr neuer Glaubenssatz über Ihren Partner wird also vermutlich eher nicht lauten: „Mein Partner ist ein fleißiges Bienchen.“ Aber vielleicht: „Mein Partner beteiligt sich durchaus an der Hausarbeit.“ Und vielleicht hilft Ihnen das alleine schon, Ihrem Partner über die herumliegenden Socken in einem ruhigeren Ton anzusprechen, als wenn Sie davon überzeugt sind, dass er keinen Finger rührt.

Oder für das zweite Beispiel – vielleicht wird Ihr neuer Glaubenssatz nicht heißen: „Ich bin rundum perfekt.“ Aber vielleicht: „Ich mache vieles ganz gut und bin schon ganz in Ordnung, so wie ich bin.“ Und damit kann man doch ganz gut leben, oder?

Formulieren Sie also Ihren neuen Glaubenssatz und schauen Sie dann nochmal genau, ob er sich stimmig für Sie anfühlt oder ob Sie ihn noch ein bisschen abändern wollen. Nehmen Sie ruhig auch die Liste oben in Anspruch. Auch dieser Glaubenssatz muss nicht bis in alle Ewigkeit in Stein gemeißelt sein. Sie dürfen ihn gerne wieder hernehmen und ihn erneut hinterfragen und umformulieren, wenn es dafür an der Zeit ist.

4. Die neuen Glaubenssätze trainieren

Wenn Sie nun einen oder mehrere neue Glaubenssätze gefunden haben, die sich für Sie stimmig anfühlen, geht es nun darum, die alten damit zu überschreiben. Wie gesagt, Ihre alten Glaubenssätze sind ganz tief in Ihnen eingebrannt und werden wahrscheinlich wieder die Oberhand gewinnen, wenn Sie die neuen Glaubenssätze nicht trainieren. Es ist wie beim Sport oder beim Sprachelernen. Einmal ist keinmal. Von einmal Joggengehen werden Sie nicht sportlich. Von einer Stunde üben werden Sie keine neue Sprache lernen. Erst durch die Regelmäßigkeit ergibt sich etwas Neues. Genau so funktioniert es auch mit den Glaubenssätzen.

Schreiben Sie sie auf kleine Zettel und hängen Sie diese so auf, dass Sie sie gut sehen. Sie können auch schöne Postkarten oder Fotos nehmen, wenn Ihnen das lieber ist, den Glaubenssatz auf die Rückseite schreiben, und die Karte oder das Foto aufhängen. Dann sehen Sie den Glaubenssatz zwar nicht direkt, aber Sie wissen, dass er dahintersteckt. Und manchmal kann auch das Bild, wenn es dazu passt, auch dazu führen, dass Sie Ihren neuen Glaubenssatz besser verinnerlichen, weil noch ein weiterer Sinneskanal (nämlich das Sehen) angesprochen wird. Sie können Ihren Glaubenssatz aber auch ähnlich wie beim Vokabellernen auf ein kleines Kärtchen schreiben und ihn sich jeden Morgen und Abend anschauen.

Sie werden trotzdem auch noch die alte Abbiegung nehmen und wieder in ihrem alten Glaubenssatz landen. Auch das Gehirn ist ein Gewohnheitstier. Gut, wenn Sie sich dabei oder danach ertappen! Dann können Sie sich wieder hinterfragen: Ist das wirklich so? Mit der Zeit wird das seltener vorkommen und Sie werden sich, die anderen und die Welt mehr und mehr durch die neue Brille sehen können.

Fazit

Wie Sie sehen, gehört schon ein bisschen Arbeit dazu, seine Glaubenssätze zu verändern. Aber es kann sich auch lohnen, sich diese zu machen. Und beim nächsten Mal geht es dann um unsere Denk“fehler.“

War das für Sie hilfreich? Schreiben Sie mir gerne, welche alten Glaubenssätze Ihnen das Leben schwermachen und wie Sie sie vielleicht ersetzen können.

Wie immer – wenn Ihnen das schwerfällt und Sie alleine nicht so richtig weiterkommen, weil Sie Ihre Glaubenssätze nicht identifizieren können oder Sie nicht wissen, wie Sie sie verändern können, steht Ihnen meine Onlineberatung jederzeit offen. Und dann schauen wir uns das gemeinsam an und finden einen Weg.

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