Die „Stimmen“ in meinem Kopf, Teil 3 – Die 10 häufigsten Denkfehler

Juni 15th, 2021

„Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen sie so, wie wir sind.“

Anaïs Nin

In den ersten beiden Teilen dieser Serie habe ich darüber geschrieben, wie wir allgemein mit unseren Gedanken gut umgehen können und wie wir tief verwurzelte Glaubenssätze erkennen und verändern können. Im dritten und letzten Teil möchte ich nun auf eine bestimmte Art von Gedanken eingehen. Nämlich die zehn häufigsten Denkfehler, die uns unterlaufen können.

Ich möchte dabei Wege aufzeigen, wie man mit ihnen umgehen kann. Das kann uns dabei helfen, die Welt und uns selbst mehr zu sehen, wie sie tatsächlich ist bzw. wie wir tatsächlich sind, zufriedener zu leben und mit uns selbst und den Menschen um uns herum besser auszukommen. Wenn das keine guten Aussichten sind, oder?

Wie entstehen Denkfehler?

Wenn ich von Denkfehlern schreibe, meine ich eigentlich Denk“fehler“. Denn eigentlich sind sie ein Zeugnis dafür, das unser Gehirn genau das tut, wofür es da ist – unser Überleben zu sichern. In meinem Artikel über das Gehirn habe ich ausführlich darüber geschrieben, wie es das genau macht. Dabei hat es die Tendenz, lieber einmal zu viel eine Gefahr zu wittern, als eine zu übersehen. Was früher durchaus mal sinnvoll war. Denn besser springt man einmal zu viel davon, wenn es im Wald knackt, als einmal von einem Bären gefressen zu werden.

Jedoch führt diese Tendenz zur Gefahrenüberschätzung in unserem modernen und inzwischen doch recht ungefährlichen Leben manchmal zu Problemen. Wenn wir zum Beispiel bei einem Vortrag kein Wort rausbekommen aus Angst vor der Reaktion anderer. Oder wenn wir vor lauter Wut auf unseren Partner rot sehen. Und auch in ganz vielen anderen kleinen Situationen, die uns vielleicht gar nicht so bewusst sind.

Deswegen halte ich es in unserer Zeit für ausgesprochen hilfreich, die zehn häufigsten Denkfehler zu kennen, sie zu erkennen und die Tricks zu kennen, wie man es schaffen kann, realistischer zu denken.

Arten von Denkfehlern

Ich werde hier nun die häufigsten Denkfehler im Einzelnen, zusammen mit Beispielen und einem möglichen Ausweg vorstellen. Danach beschreibe ich eine allgemeine Methode, wie man seine Denkfehler erkennen und verändern kann.

1. Schwarz-Weiß-Denken

Schwarz-Weiß-Denken wird auch Alles-oder-Nichts-Denken genannt. Es tritt immer dann auf, wenn wir nur in zwei Kategorien denken: Schwarz oder weiß, alles oder nichts, gut oder schlecht, richtig oder falsch. Das führt aber dazu, dass wir möglicherweise die ganzen Grautöne übersehen… oder besser gesagt die ganzen bunten Farben. Denn wie in einem Farbkasten befinden sich zwischen Weiß und Schwarz auch noch Gelb, Orange, Rot, Lila, Blau, Grün usw.

Hier mal ein paar Beispiele für das Schwarz-Weiß-Denken:

  • „Immer mache ich alles falsch.“
  • „Politiker sind alles Lügner.“
  • „Mein neuer Rasenmäher ist totaler Schrott.“
  • „Ich habe keine Freunde, niemand will etwas mit mir zu tun haben.“

Es fällt auf, dass hier sehr extreme und einseitige Sichtweisen präsentiert werden. Die Worte „immer“, „alles“ und „nie“ kommen hier häufig vor, ebenso wie einseitig negative Urteile über Menschen oder Dinge.

Dabei sind Dinge in Wirklichkeit selten so einseitig extrem und es kann helfen, sich das bewusst zu machen und eine gemäßigtere Sichtweise auszuprobieren.

2. Filtern

Filtern bedeutet, dass wir nur bestimmte Aspekte einer Situation wahrnehmen. Nämlich die, die unsere Annahme bestätigen. Meistens sind das negative Aspekte. Alle anderen Informationen, die unserer Annahme widersprechen, werden ausgeblendet.

  • „Mein Partner liebt mich nicht mehr. Er lässt seine Sachen überall herumliegen und sieht mich nicht mehr so an wie früher wie früher.“ Dass er letzte Woche unser Fahrrad repariert hat, übersehen wir dabei.
  • „Ich bin immer so schüchtern.“ Dass wir schon mehrfach ganz selbstbewusst fremde Menschen angesprochen haben, blenden wir dabei aus.

Dadurch schaufeln wir aber gewissermaßen unser eigenes Grab und zementieren unsere möglicherweise falsche oder einseitig negative Sichtweise. Hier kann es helfen, nach Gegenbeweisen zu unseren Annahmen Ausschau zu halten.

3. Generalisieren

Wenn wir generalisieren, übertragen wir das, was wir in einer bestimmten Situation wahrnehmen und erleben, auf alle Situationen. Dabei kann es sein, dass das gar nicht auf alle Situationen zutrifft.

  • „Ich finde niemanden spannend auf dieser Party. Ich hab mit generell niemandem etwas gemeinsam.“
  • „Mein Partner und ich haben uns gestern gestritten. Wir passen einfach nicht zusammen.“

Am hilfreichsten ist es hier, die Situation für sich zu betrachten und nicht darüber hinauszudenken. Dass man auf dieser einen Party niemanden spannend fand, kann ja durchaus vorkommen. Aber diese EINE Party bedeutet ja nicht, dass man mit niemandem etwas gemeinsam hat. Ein einziger Streit mit dem Partner heißt auch nicht zwangsläufig, dass man nicht zusammenpasst.

4. Voreilige Schlüsse ziehen

Voreilige Schlüsse ziehen wir dann, wenn wir, ohne alle Informationen haben, davon überzeugt sind, wie die Dinge wirklich sind oder sein werden. Wir bilden uns ein, die Gedanken anderer lesen oder hellsehen zu können.

  • „Meine Nachbarin hat mich nicht gegrüßt. Ich weiß einfach, dass sie mich nicht leiden kann.“
  • „Ich weiß, dass das schiefgehen wird.“

Wichtig ist hier, sich bewusst zu machen, dass man eben keine Gedanken lesen oder hellsehen kann (außer man ist Hellseher ;)). Ich verrate Ihnen mal was: Nicht mal ich als Psychologin kann das. Wir können unseren Mitmenschen nur bis vor die Stirn schauen. Und wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird.

Wir können Vermutungen anstellen, welche mehr oder weniger zutreffend sein können. Aber wirklich WISSEN können wir es selten, außer eine Person sagt uns ins Gesicht, dass sie uns nicht leiden kann. Ansonsten kann es noch andere Gründe geben, warum unsere Nachbarin uns nicht gegrüßt hat, z.B. weil es ihr nicht gut ging an dem Tag, weil sie uns nicht gesehen hat oder weil sie vielleicht selbst irrtümlicherweise denkt, dass wir sie nicht leiden können. Ja, auch Nachbarn sind „nur“ Menschen und machen Denkfehler.

5. Emotionales Schlussfolgern

Emotionales Schlussfolgern bedeutet, dass wir glauben, was unsere Emotionen uns sagen. Dabei entspricht nicht alles, was wir fühlen, auch tatsächlich der Realität.

  • „Ich habe Angst vorm Fliegen. Das heißt, dass das bestimmt gefährlich ist.“
  • „Ich bin sauer auf meinen Chef. Das bedeutet, dass er ein schlechter Mensch sein muss.“

Manchmal ist es schwer zu glauben, dass unsere Emotionen NICHT die Realität abbilden, besonders wenn sie sehr stark sind. Und doch stimmen sie nicht immer. Sie kennen das vielleicht auch: Das kleine Kind, das in Tränen aufgelöst ist, weil ihm seine Eiskugel aus der Eistüte auf den Boden gefallen und jetzt voller Dreck ist. Wir lächeln darüber, weil wir erkennen, dass die Situation eigentlich kein echtes Drama ist. Aber auch uns Erwachsenen passiert das durchaus noch, dass wir unsere Emotionen für bare Münze nehmen und über die sprichwörtliche Eiskugel im Dreck weinen.

Z.B. bei der Angst vorm Fliegen. Es FÜHLT sich gefährlich an, dabei ist Fliegen sicherer als Vieles andere, was wir so über den Tag verteilt machen, wie z.B. Hausarbeit, über die Straße gehen oder Autofahren. Es kann also helfen, sich bewusst zu machen, dass unsere Emotionen nicht unbedingt die Realität widerspiegeln.

6. Katastrophisieren

Wenn wir katastrophisieren, gehen wir vom absolut schlimmsten aus, auch wenn es vielleicht eher unwahrscheinlich ist.

  • „Ich werde diesen Vortrag bestimmt in den Sand setzen. Alle werden mich auslachen und dann bin ich für immer unten durch.“
  • „Jetzt liege ich schon seit zwei Stunden wach im Bett und kann immer noch nicht schlafen. Morgen wird dann ein total schrecklicher Tag werden.“

Wie heißt es so schön: Echte Katastrophen sind selten. Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie bei dem Vortrag wirklich kein Wort rausbekommen und alle lachen werden? Ist es vielleicht wahrscheinlicher, dass Sie sich vielleicht MAL verheddern werden, ein bisschen rot anlaufen und mal ins Stocken geraten werden? Und selbst wenn Sie wirklich nichts sagen könnten und aus dem Raum stürmen würden, wie wahrscheinlich ist es, dass alle lachen würden? Vielleicht hätten ja sogar einige Mitgefühl, weil sie selbst Angst vor Vorträgen haben?

Wenn Sie sich also dabei ertappen, wie Sie sich in Ihrem Kopf Horrorszenarien ausmalen, halten Sie inne, holen Sie ein paarmal tief Luft und fragen Sie sich dann, wie wahrscheinlich das WIRKLICH ist.

7. Personalisieren

Beim Personalisieren beziehen wir etwas auf uns, was möglicherweise ganz andere Ursachen hat.

  • „Toll, jetzt regnet es wieder, wenn ich nach draußen will. Das war so klar, dass mir das wieder passiert.“
  • „Sie meldet sich nicht mehr bei mir, weil ich so ein schrecklicher Mensch bin.“

Klar, manchmal hat man den Eindruck, dass sich alles und jeder gegen uns verschworen hat. Aber hat es das Wetter tatsächlich auf uns abgesehen? Liegt es wirklich an uns, dass sich eine andere Person nicht mehr bei uns meldet? Vielleicht hat sie selbst Probleme oder traut sich einfach nicht?

Wenn Sie sich also beim Personalisieren ertappen, überlegen Sie ob es vielleicht auch an etwas anderem als an Ihnen liegen könnte.

8. Vergrößern oder Verkleinern

Vergrößern oder Verkleinern bedeutet, dass wir bestimmte Sachverhalte überbewerten oder das Gegenteil tun – sie kleinreden.

  • Vergrößern: „Wenn ich durch diese Prüfung falle, dann ist mein ganzes Leben versaut.“
  • Verkleinern: „Ich habe keinen Einfluss darauf, ob andere mich mögen oder nicht.“

Meist bewerten wir Dinge über, die außerhalb unserer Kontrolle liegen oder die negative Konsequenzen für uns haben könnten. Aber wäre wirklich unser ganzes Leben versaut, wenn wir durch diese eine Prüfung fallen? Könnten wir sie auch wiederholen oder einfach etwas anderes machen?

Im Gegensatz dazu verkleinern wir unseren eigenen Einfluss und die positiven Auswirkungen eines Ereignisses. Wir können sicherlich nicht kontrollieren, ob andere uns mögen oder nicht. Aber wir haben vielleicht doch mehr Einfluss darauf, als wir denken, z.B. in dem wir freundlich zu ihnen sind, lächeln oder auch unsere Grenzen ruhig und sachlich kommunizieren.

9. Attribuieren

Beim Attribuieren geht es darum, was wir glauben, wo die Ursache von etwas liegt. Negatives Attribuieren bedeutet, dass wir Positives dem Zufall zuschreiben und Negatives unseren eigenen Fehlern.

  • „Dass ich diese Stelle bekommen habe, war bestimmt nur Glück oder weil sie niemand Besseren finden konnten.“
  • „Dass ich diese Stelle nicht bekommen habe, bedeutet, dass ich einfach nicht gut genug dafür bin.“

Es kann durchaus sein, dass auch unsere eigenen Fähigkeiten zum positiven Ausgang führen. Oder dass einfach Pech eine Rolle gespielt hat, wenn etwas schiefgegangen ist. Nicht alles Negative ist automatisch unser eigenes Versagen und nicht alles Positive ist uns einfach nur so zugeflogen.

Überlegen Sie also ruhig mal, was Sie selbst beigetragen haben bzw. welche Faktoren außerhalb Ihres Einflusses eine Rolle gespielt haben könnten.

10. Etikettieren

Wenn wir etikettieren, kleben wir ein pauschales Label, ein Etikett auf eine Sache oder eine Person oder einen Umstand. Dabei übergehen wir aber die verschiedenen Facetten einer Situation.

  • „Ich bin einfach zu blöd dafür.“
  • „Leute, die nicht meiner Meinung sind, sind Idioten.“

Etikettieren führt ähnlich wie das Filtern dazu, dass wir eine einseitige Sichtweise auf uns, andere oder Dinge und Situationen entwickeln, die möglicherweise nicht ganz der Realität entspricht. Bevor wir also ein Etikett auf etwas kleben, sollten wir uns vielleicht vergewissern, dass auch wirklich das und nur das drin ist, was auf dem Etikett steht.

Denkfehler erkennen und korrigieren

Noch einmal zur Erinnerung: Diese Denkfehler sind nicht unbedingt Fehler. In einer echten Gefahrensituation helfen sie uns, unsere Kräfte zu mobilisieren und unser Überleben zu sichern. Nur in Situationen, in denen uns keine echte Gefahr oder maximal eine Unannehmlichkeit droht, können Sie für allerlei Probleme sorgen. Für uns selbst, weil wir uns nicht gut fühlen und uns nicht so verhalten, wie es für uns gut wäre, oder für andere, weil wir uns Ihnen gegenüber vielleicht unangemessen verhalten.

Wenn wir zum Beispiel denken, dass wir durch die Prüfung fallen werden und dann unser ganzes Leben versaut ist (Katastrophisieren, Vergrößern), können wir uns vielleicht nicht so gut auf das Lernen konzentrieren und das Gelernte bei der Prüfung vor lauter Aufregung gar nicht richtig abrufen.

Wenn wir fälschlicherweise denken, dass unser Partner uns nicht unterstützt (Filtern) und das bedeutet, dass er uns nicht mehr liebt (Voreilige Schlüsse), verhalten wir uns ihm gegenüber vielleicht auf liebloser und machen ihm Vorwürfe, was dann vielleicht tatsächlich dazu führt, dass er sich zurückzieht.

Oder wenn wir denken, dass alle Politiker immer lügen (Schwarz-Weiß-Denken), dann fällt es uns schwer, ihren Entscheidungen generell Vertrauen zu schenken und wir wenden uns vielleicht radikaleren Strömungen zu, die unsere einseitige Sichtweise bestätigen und eventuell noch verstärken.

Es kann also sinnvoll sein, sich seiner Denkfehler bewusst zu werden und sie zu hinterfragen und zu korrigieren. Wie kann man das tun? Die Methode dazu nennt sich „Kognitives Umstrukturieren“ und geht auf die Ansätze der amerikanischen Psychologen Aaron T. Beck und Albert Ellis zurück.

Schritt 1: Denkfehlern auf die Schliche kommen

Wichtig ist hier die Erkenntnis, dass wir alle Denkfehler machen. Das ist normal. Wenn Sie mir nicht glauben, achten Sie am besten auf Situationen, in denen Sie unangenehme Gefühle verspüren. Wenn Sie sich z.B. ärgern, traurig sind oder Angst haben. Dann schauen Sie, was Ihnen dazu für Gedanken durch den Kopf gehen und wie Sie sich in dieser Situation verhalten.

Nehmen wir mal folgendes Beispiel: Frau P. ist unzufrieden mit der Beziehung zu ihrem Partner F.

  • Was für Gedanken sind da: „Ich ärgere mich über meinen Partner. Er unterstützt mich nicht. Alles lässt er herumliegen. Außerdem schaut er mich nicht mehr wirklich an. Ich glaube, er liebt mich nicht mehr.“
  • Welche Gefühle sind da: „Da ist Ärger über die fehlende Unterstützung, Traurigkeit über die fehlende Zuwendung und Angst vor einer möglichen Trennung.“
  • Welches Verhalten wird gezeigt: „Ich nörgele an ihm herum, beklage mich, mache ihm Vorwürfe und zeige mich abweisend.“
  • Welche Folgen hat das Verhalten? „F. reagiert dann oft sauer.“

Schritt 2: Denkfehler hinterfragen

Jetzt werden Sie zum Detektiv, denn nun geht es darum, Ihre Gedanken zu überprüfen. Sie können sich dazu folgende Fragen stellen:

  • Was spricht dafür, dass es so ist?
  • Und was spricht dagegen?
  • Welche Beweise habe ich?

Nun können Sie anhand der Fakten und Informationen entscheiden: Stimmen meine Gedanken oder ist es vielleicht doch nicht ganz so, wie ich dachte? Oder habe ich einfach zu wenig Informationen, um mir wirklich sicher sein zu können? Oder zu wenig Wissen, um die Informationen einordnen zu können? Vielleicht können Sie auch erkennen, welcher oder welche Denkfehler sich bei Ihnen eingeschlichen haben. Oder Sie stellen fest, dass das, was Sie denken, tatsächlich zutrifft. Manchmal stimmen unsere negativen Gedanken auch, wenn z.B. ein anderer Mensch wirklich nichts Gutes im Schilde führt. Dann sollten wir das nicht fälschlicherweise relativieren und verharmlosen.

Zu unserem Beispiel, in dem Frau P. glaubt, dass ihr Partner F. Sie nicht mehr liebt.

  • Was spricht dafür: „F. lässt wirklich Dinge herumliegen, z.B. seine Socken. Und er hat mich früher wirklich mehr angeschaut.“
  • Was spricht dagegen: „Er hat letzte Woche mein Fahrrad repariert. Und wir waren spazieren und haben uns dabei gut unterhalten und er hat mir zugehört.“
  • Welche Beweise gibt es: „Ich kann nicht wirklich sagen, was er fühlt, weil ich nicht in seinen Kopf sehen kann. Anhand seines Verhaltens kann ich nur Vermutungen anstellen.“
  • Mögliche Denkfehler:
    • Schwarz-Weiß-Denken („Er unterstützt mich nicht, er sieht mich nicht mehr an“)
    • Filtern (die Reparatur des Fahrrads und der schöne Spaziergang werden ausgeblendet)
    • Voreilige Schlüsse ziehen („Er liebt mich nicht mehr“)

Schritt 3: Alternative Gedanken überlegen

Jetzt können Sie kreativ werden. Wie könnten Sie alternativ über diese Situation denken? Wenn Ihnen das schwerfällt, gehen Sie vielleicht davon aus, wie Sie sich in der Situation gerne fühlen würden, und überlegen Sie dann, wie jemand, der sich so fühlt, über die Situation denken würde.

Schauen Sie, dass dieser alternative Gedanke zu Ihren Erkenntnissen aus Schritt 2 passt und die Situation nicht fälschlicherweise in eine zu positive Richtung verzerrt. Es soll ja darum gehen, eine realistischere Sichtweise zu entwickeln und nicht, uns etwas schönzureden.

In unserem Beispiel könnte ein alternativer Gedanke vielleicht so aussehen:

  • „Es gibt Anzeichen, die dafür sprechen, dass F. mich nicht mehr so liebt wie früher. Er lässt mehr Dinge herumliegen und sieht mich weniger an. Aber auch Anzeichen, die dem widersprechen. Er repariert Dinge für mich und hört mir durchaus noch zu. Ich weiß es also nicht genau.“

Ein einseitig ins Positive verzerrter Gedanke würde dagegen so lauten:

  • „Natürlich liebt mich F. noch. Er repariert doch meine Sachen und hört mir zu.“

Er blendet die negativen Aspekte, nämlich die herumliegenden Socken und das wenigere Anschauen, komplett aus. Und ist daher genau so wenig zutreffend wie die ursprünglichen Gedanken. Vermutlich würde er sich für Frau P. auch nicht stimmig anfühlen.

Schritt 4: Neue Gedanken überprüfen

Schauen Sie sich jetzt Ihren alternativen Gedanken an: Kommt er Ihnen stimmig vor? Wie geht es Ihnen damit? Wollen Sie ihn so lassen oder noch ein bisschen anpassen?

Wenn Sie so denken würden, wie würde Ihr Gefühl dazu aussehen? Wie würden Sie sich anders verhalten? Und dann können Sie das veränderte Verhalten auch mal ausprobieren und schauen, zu was es führt.

Nochmal zu unserem Beispiel:

  • Frau P. sagt: „Ich fühle mich mit dem alternativem Gedanken jetzt etwas gelassener. Ich glaube, ich sollte nicht so an F. herumnörgeln, sondern mal in einer ruhigen Minute meine Bedürfnisse und Sorgen ansprechen. Ich will ihm dabei keine Vorwürfe machen und auch die positiven Aspekte (die Fahrradreparatur und den Spaziergang) erwähnen. Und ich will ihn fragen, was er tatsächlich fühlt, und dann schauen, wie wir die Situation gemeinsam lösen können.“ Diese Vorgehensweise kann dazu führen, dass F. vielleicht weniger in den Widerstand geht, sondern sich mehr gesehen und wertgeschätzt fühlt und so auch Frau P. besser zuhören und verstehen kann.

Möglichkeiten und Grenzen

Mit dem Wissen um die verschiedenen Denkfehler und der Methode, diese zu hinterfragen und zu korrigieren, haben Sie nun die Möglichkeit, sich selbst, andere Personen und Situationen realistischer wahrzunehmen. Dadurch können sich negative Emotionen abschwächen und sich Ihr Handlungsspielraum erweitern.

Aber Achtung: Gefühle und Verhaltensgewohnheiten sind mächtig! Wenn Sie z.B. sehr große irrationale Angst haben, ist es nicht so einfach möglich, sich kühl und rational aus der Angst herauszudenken und ganz entspannt und gelassen zu reagieren. Erwarten Sie also nicht zu viel von sich und verurteilen Sie sich nicht für Ihre Gefühle.

Diese Methode ist daher gewissermaßen ein erster Schritt, um die Wirklichkeit besser erkennen zu können und die Fragen zu beantworten: Droht mir jetzt wirklich Gefahr? Sind meine Emotionen und Verhaltensweisen der Realität angemessen? Diese Erkenntnisse können Sie dann nutzen, um weitere Schritte einzuleiten. Wie in dem Beispiel von Frau P., die das Gespräch mit Ihrem Partner suchen möchte. Oder, wenn sie große Angst vor etwas eigentlich Ungefährlichem haben, könnten Sie sich beruhigend zureden oder sich professionelle Unterstützung suchen.

Ich hoffe, dass meine Erklärungen und Beispiele für Sie hilfreich sind. Wie immer gilt: Ihre Situation ist einzigartig und wenn Sie Unterstützung dabei brauchen, Ihre eigenen Denkfehler zu erkennen, zu korrigieren oder die konkreten nächsten Schritte zu überlegen oder zu gehen, zögern Sie nicht und schreiben Sie mir einfach. Ich bin gern für Sie da.

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