Hilfe, ich bin nicht in Weihnachtsstimmung!

Dezember 16th, 2022

„Das Geheimnis von Weihnachten besteht darin, dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine hingewiesen werden.“

Johann Wolfgang von Goethe

Schon seit Ende August gibt es Lebkuchen und Schokoweihnachtsmänner in den Supermärkten und je näher Weihnachten kommt, desto öfter wird man gefragt: „Bist du schon in Weihnachtsstimmung?“ Aber was, wenn die Antwort auf diese Frage „Nein“ lautet? Stimmt dann was nicht mit einem oder hat man gar etwas falsch gemacht?

Deshalb soll es heute darum gehen, was Weihnachtsstimmung ist, warum es nicht schlimm ist, nicht in Weihnachtsstimmung zu sein, und wie diese Haltung paradoxerweise dazu führen kann, doch ein bisschen davon abzubekommen.

Was ist eigentlich Weihnachtsstimmung?

Wenn man das Internet befragt, was Weihnachtsstimmung bedeutet, findet man so etwas wie „weihnachtliche Stimmung“ oder „die Stimmung, die Menschen üblicherweise an Weihnachten haben“. Das erklärt nicht so viel bzw. es erklärt den Begriff gewissermaßen mit sich selbst.

Heißt das dann nicht, dass jede Stimmung, in der wir zu Weihnachten sind, eine Weihnachtsstimmung ist? Vielleicht gibt es gar nicht DIE eine Weihnachtsstimmung. Aber üblicherweise verstehen wir unter Weihnachtsstimmung eine freudvolle, besinnliche, staunende und festliche Stimmung.

Ist es schlimm, nicht in Weihnachtsstimmung zu sein?

Dazu von mir ein klares Nein. Es ist gar nicht schlimm. Es ist, wie es ist. Oder haben Sie sich schon mal gefragt, ob es schlimm ist, nicht in Osterstimmung zu sein? Oder in Pfingststimmung?

Die Schwierigkeit mit der Weihnachtsstimmung kommt von verschiedenen Faktoren:

– Große Erwartungen

Weihnachten ist nach wie vor mit Abstand das wichtigste Fest in unserem Kulturkreis. Kein anderer Feiertag wirft so lange seine Schatten (oder sein Licht) voraus. Zu keinem anderen Feiertag wird so viel geschmückt, geschenkt, gefeiert, gegessen. Draußen ist es kalt und dunkel, so dass es auch wenig anderes gibt, was die Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte. Und so erscheint Weihnachten groß und wichtig, und wir haben entsprechend große Erwartungen an diese Zeit, was wir alles tun und machen wollen oder müssen, und auch wie wir uns fühlen müssen. Aber große Erwartungen haben auch die Kehrseite, dass sie auch schnell zu großen Enttäuschungen führen, wenn sie sich nicht erfüllen. Wir erwarten also, dass wir in Weihnachtsstimmung sind – oder andere erwarten es von uns – und dann sind wir es nicht und fühlen uns enttäuscht.

– Lange Zeit

Die Weihnachtszeit beginnt gefühlt schon lange vor dem 1. Advent, und selbst wenn sie erst am 1. Advent beginnen würde, so ist es immer noch eine sehr lange Zeit von teilweise über einem Monat. Haben Sie schon mal eine Stimmung über einen Monat lang gehabt? Üblicherweise schwingen unsere Stimmungen im Laufe eines Tages mehrfach hin und her, das ist normal und auch gesund. Normalerweise spricht man von psychischen Störungen, wenn bestimmte Stimmungen über einen längeren Zeitraum anhalten, weil das nicht der üblichen emotionalen Schwingungsfähigkeit menschlicher Empfindungen entspricht. Das heißt, es ist unrealistisch zu erwarten, dass wir wochenlang in einer Stimmung der Beseeltheit verweilen, die immer mehr ansteigt und zu Weihnachten ihren Höhepunkt erreicht. Wahrscheinlicher ist es, dass Sie in dieser Zeit alles mögliche fühlen werden, von Stress über Freude über Angst, Ärger, Entspannung… Und das ist absolut normal.

– Stressiger Dezember

Im Zusammenhang damit ist Stress eher das Gegenteil von Weihnachtsstimmung, aber gerade der Dezember ist für viele ein sehr vollgepackter Monat, was schnell zu Stress führen kann. Das liegt zum einen daran, dass der Dezember gewissermaßen der kürzeste Monat ist, weil bis zum 24. alles erledigt sein muss, wofür man sonst 28 bis 31 Tage Zeit hat. Dazu kommen oft viele Termine wie Weihnachtsfeiern und Weihnachtsmarktbesuche sowie die Planung und Vorbereitung für das Weihnachtsfest wie das Kaufen von Geschenken. Vielleicht ist auch auf Arbeit noch einiges bis zum Jahresende fertigzustellen, vielleicht gibt es andere Probleme, die gerade schwierig und unlösbar erscheinen. Kein Wunder, dass sich vor so einem Hintergrund keine Weihnachtsstimmung einstellen kann.

– Überreizung

Lebkuchen, Kerzen, Räucherkerzen und andere Weihnachtsdekoration sollen uns in die passende Stimmung versetzen. Hier kann es aber auch zu einem gegenteiligen Effekt kommen, wenn zu viel davon vorhanden ist. Wobei das natürlich sehr subjektiv ist. Für den einen kann es gar nicht zu viel sein und sie überziehen ihr ganzes Haus mit Lichtern, die in allen Farben blinken. Für andere wäre das eine absolute Horrorvorstellung. Und auch wenn man das Haus verlässt, trifft man überall auf Weihnachtsbeleuchtung, Weihnachtsdekoration, Lebkuchen und Weihnachtsmusik. Das kann zu einer Überreizung der Sinne führen, was dann wiederum einer weihnachtlichen Stimmung eher abträglich ist.

Das sind einige der Gründe, die dazu führen können, dass wir uns so gar nicht wie Weihnachten fühlen. Dazu können noch individuelle und zwischenmenschliche Faktoren kommen, wie schlechte Erfahrungen, eigene Probleme oder Konflikte mit Mitmenschen.

Was kann ich tun, wenn ich nicht in Weihnachtsstimmung bin?

Im Prinzip müssen Sie gar nichts tun. Sie dürfen nicht in Weihnachtsstimmung sein, und wenn Sie das für sich so akzeptieren können, dann ist alles gut. Mit Ihnen ist alles in Ordnung, auch wenn Sie sich so gar nicht nach Weihnachten fühlen. Wie oben beschrieben, kann das gute Gründe haben, die noch nicht mal etwas mit Ihnen zu tun haben müssen.

Stimmungen kann man nicht erzwingen. Im Gegenteil – je mehr wir versuchen, eine Stimmung zu haben, desto weniger wahrscheinlich stellt sie sich ein. Was wir aber machen können, ist ihr den Boden bereiten, ihr gewissermaßen den Teppich ausrollen. Und eventuell kommt sie dann doch hervor, oder eben auch nicht.

– Kürzer treten

Es ist daher eher sinnvoll, sich gar nicht so sehr auf die nicht vorhandene Weihnachtsstimmung zu fokussieren, sondern eher zu schauen, was Ihnen jetzt gut tun würde. Vielleicht tut es Ihnen ja gut, einen Gang zurückzuschalten. Müssen Sie wirklich auf jede Weihnachtsfeier gehen und mit jeder Person, die Sie kennen, auf den Weihnachtsmarkt? Überlegen Sie, was davon für Sie wirklich wichtig ist und worauf Sie sich am meisten freuen, und sagen Sie den Rest vielleicht ab oder schauen nur kurz vorbei, wenn Absagen nicht gut möglich ist. Ich denke, die meisten Menschen werden es verstehen, wenn Sie Ihnen sagen, dass Sie etwas kürzer treten wollen, weil es gerade alles etwas viel ist. Vielen wird es ganz ähnlich gehen.

Müssen Sie jedem entfernten Verwandten zig Geschenke besorgen? Vielleicht reicht ja auch etwas Kleines für die engsten Familienangehörigen. Schauen Sie, ob der Geschenkewahn wirklich etwas ist, das Ihnen entspricht oder ob Sie sich vielleicht durch äußere Einflüsse eher dazu verleiten lassen.

In diesem Sinne dürfen Sie Ihre Wohnung auch so viel und so wenig schmücken, wie Sie wollen. Sie dürfen Plätzchen backen, müssen aber nicht. Sie können einen Baum aufstellen, Sie können es aber auch lassen. Und Sie können ein festliches Weihnachtsmenü kochen, Sie können es aber auch bei einem Restaurant bestellen, oder Sie essen einfach nur Nudeln mit Tomatensoße.

Suchen Sie sich das heraus, was Ihnen an der Adventszeit und zu Weihnachten wirklich etwas bedeutet und Ihnen Freude schenkt, und lassen Sie den Rest bleiben. Das kann auch von Jahr zu Jahr unterschiedlich sein. Vielleicht ist Ihnen das eine Jahr nach mehr und das andere nach weniger.

– Konflikte klären und Kompromisse eingehen

Das kann natürlich zu Konflikten mit anderen Personen führen. Wie bereits gesagt, hat Weihnachten auch viel mit Erwartungen zu tun. Die Schwiegermutter besteht auf eine große Weihnachtsfeier? Die Kinder wollen unbedingt einen Baum? Der Partner will am liebsten das ganze Haus von oben bis unten schmücken? Und Sie wollen eigentlich nichts davon?

Ihre Bedürfnisse sind hier genau so richtig und wichtig wie die der anderen. Wie gesagt, mit Ihnen ist nichts falsch, nur weil Sie das alles nicht wollen. Mit den anderen ist aber auch nichts falsch, weil sie das alles wollen. Versuchen Sie, gute Kompromisse zu finden, so dass jeder ein bisschen das bekommt, was er möchte.

Sie könnten zum Beispiel nur ein paar Stunden zur Schwiegermutter. Welcher Teil der Feier ist für sie besonders wichtig? Dann kommen Sie eben da und verabschieden Sie sich danach. Sagen Sie ihr, dass Sie verstehen, dass ihr das ganz wichtig ist, und Sie auch gerne kommen, Sie aber mehr Ruhe brauchen und deswegen nicht so lange bleiben wollen. Für die Kinder tut es vielleicht auch ein kleinerer Baum, vielleicht kann man ihn auch in ihr Zimmer stellen, oder wenn Sie die Möglichkeit haben, auch draußen. Vielleicht ein Baum, den man wieder einpflanzen kann. Und mit Ihrem Partner könnten Sie weihnachtsfreie Zonen im Haus vereinbaren und in den restlichen Bereichen kann er oder sie sich austoben.

Das sind faire Kompromisse, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen.

– Sich Zeit für sich nehmen

Und wenn Sie es so geschafft haben, sich ein paar Freiräume zu verschaffen, tut es Ihnen vielleicht gut, etwas für sich zu tun. Sie wissen schon: Einen Spaziergang machen (wenn Sie Glück haben, im Schnee), etwas lesen, ein Bad nehmen, Tee trinken oder auch einfach mal gar nichts tun. Was auch immer gerade Ihre Batterien am besten aufladen würde.

– Umgang mit dem Alleinsein

Vielleicht geht es Ihnen aber auch ganz umgekehrt und Sie sind nicht in Weihnachtsstimmung, weil Sie alleine sind und keine Familie haben, mit der Sie feiern können oder wollen. Hier kann vielleicht helfen, sich vor Augen zu halten, dass auch in anderen Familien nicht alles Gold ist, was glänzt. Wie ich oben beschrieben habe, kann Weihnachten in der Familie durchaus auch zu viel Stress führen kann, den Sie nicht haben.

Vielleicht haben Sie auch gerade jemanden verloren und sind deswegen nicht in Weihnachtsstimmung. Auch das ist in Ordnung.

Vielleicht kann es Ihnen gut tun, sich das Alleinsein etwas angenehmer zu gestalten. Was könnte Ihnen dabei helfen? Was könnten Sie tun? Zum Beispiel ein Hobby ausüben oder sich etwas Schönes kochen, etwas Besonderes trinken, sich eine schöne Sendung ansehen, ein Buch lesen. Es ist gut, etwas vorzuhaben oder einen Plan zu haben, wie Sie die Zeit für sich gestalten wollen, so dass sie für Sie doch etwas schöner wird. Und zusätzlich tut Ihnen vielleicht auch etwas Gesellschaft gut. Vielleicht gibt es doch jemanden in Ihrem Umfeld, den Sie treffen können. Es spricht nichts dagegen, mal rumzufragen, was andere so an Weihnachten machen. Vielleicht findet sich ja jemand, der auch alleine ist, und sich über etwas Gesellschaft freut. Vielleicht ein Freund oder ein Nachbar.

Fazit

Was die Weihnachtsstimmung betrifft, ist weniger oft mehr. Wenn Sie Ihre Erwartungen herunterschrauben, wie Sie sich zu fühlen haben, wenn Sie das tun, was Sie möchten, und den Rest sein lassen oder zumindest herunterfahren, wenn Sie dem Trubel auch mal entkommen und etwas für sich tun, dann werden Sie vielleicht plötzlich und unerwartet doch so etwas wie Weihnachtsstimmung verspüren. Oder auch einfach Ruhe und Entspannung – und ist ja auch etwas wert, oder?.

Bedeutet die Weihnachtszeit für Sie Freude oder eher Stress? Lieben Sie Lebkuchen, Glühwein und Geschenke oder möchten Sie sich am liebsten irgendwo verkriechen, bis das alles vorbei ist? Wenn diese Zeit für Sie eine große Belastung darstellt, es vielleicht Konflikte mit Partnern und der Familie gibt oder Sie sich einsam fühlen, schreiben Sie mir gern und ich unterstütze Sie dabei.

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